Fraktionsvotum zur Gassenarbeit und Sicherheitsdienst
Sehr geehrter Herr Präsident, geschätzte Anwesende
Die Fraktion SP/JSP steht dem vorliegenden Geschäft grundsätzlich positiv gegenüber. Die Idee einer verstärkten aufsuchenden Sozialarbeit ist ein Schritt in die richtige Richtung, den wir sehr stark mittragen und auch dem wissenschaftlichen Konsens entspricht, dass aufsuchende Sozialarbeit im Bereich der Obdachlosigkeit und Suchterkrankung als die richtige und wirksame Methode gilt, weil sie niederschwellig ist, den Beziehungsaufbau fördert, präventiv wirkt und multidisziplinär arbeitet.
Nicht nur braucht es solche Ansätze dringend, sondern es braucht noch viel mehr davon. Ich gehöre auch zu den 7 Stimmen, die 2020 nein zur SIP gesagt haben. Wir hatten damals grosse Vorbehalte, insbesondere auch in Bezug auf die Herangehensweise des Stadtrates und der Bedeutung, die der scheussliche, respektlose Brief von Gewerbe Olten damals erhielt. Die Tonalität und Sensibilität seitens Stadtrates hat sich seit dann auf jeden Fall verbessert, herzlichen Dank dafür euch an dieser Stelle, das wird in diesem Saal ja auch nicht zu oft gemacht.
Die Aufsplittung wie das jetzt gemacht wird, finden wir grundsätzlich sinnvoll.
Zur Aufsuchenden Sozialarbeit
Die angedachte Arbeit im Bereich der Gassenarbeit gefällt uns. Wir sind überzeugt, dass aufsuchende Sozialarbeit ein zentrales Element ist, um Menschen in prekären Lebenslagen Unterstützung anzubieten, ohne sie zu stigmatisieren. Besonders hervorzuheben ist die Erkenntnis, dass eine sofortige Intervention durch die Kantonspolizei nach einem Besuch durch die Gassenarbeit nicht zielführend ist. Wir unterstützen diese Haltung ausdrücklich. Die Prävention, Vermittlung und Deeskalation durch die Gassenarbeit muss im Vordergrund stehen, nicht die Repression.
Allerdings sehen wir ein Problem in den aktuellen Kapazitäten. Für den Umfang des Leistungsauftrags sind die vorgesehenen Stellenprozente schlichtweg zu gering. Um wirklich nachhaltig wirken zu können, bedarf es mehr Ressourcen für die aufsuchende Sozialarbeit, als die hier angedachten, losgelöst von der Variable des Betriebkonzepts des Raumes für Szenegänger:innen. Wir reichen als logische Konsequenz daraus einen Änderungsantrag ein für eine Erhöhung auf neu 240’000.-.
Zur Frage des Sicherheitsdienstes
Im zweiten Teil des Geschäfts sind wir uns weniger sicher. Ja, eine unterstützende und sichernde Komponente für die Gassenarbeit ist in gewissen Situationen notwendig, um die Sicherheit aller involvierten Personen sicherzustellen. Doch dies darf keinesfalls zu einer Auslagerung an eine Privatinstitution führen. Eine „verkappte Stadtpolizei“ lehnen wir klar ab. Sicherheit ist eine hoheitliche Aufgabe, die nicht von privaten Akteuren wahrgenommen werden sollte. Etwas Gutes hat es ja, so wie es hier angedacht ist, kommt es etwas näher am Traum von Heinz Eng, der sich 2020 die Broncos oder Hells Angels als Sicherheitsdienst gewünscht hat.
Ein weiteres Anliegen ist die Begrifflichkeit, die uns im Zusammenhang mit der neuen Nutzungsordnung Innenstadt, die der Stadtrat im Juni verabschiedet hat, stört. Was ist mit „ungebührlichem Verhalten“ gemeint? Dieser Ausdruck lässt zu viel Interpretationsspielraum und birgt die Gefahr, dass Armut mit Unanständigkeit gleichgesetzt wird.
Der öffentliche Raum gehört uns allen
Hier möchte ich auch auf eine grundsätzliche Überlegung eingehen: Der öffentliche Raum gehört uns allen, solange wir uns an die Gesetze halten. Es ist die Aufgabe des Staates, diesen Raum bereitzustellen, zu schützen und zu pflegen, nicht ihn für gewisse Gruppen unzugänglich zu machen, damit das Gewerbe mehr Profit machen kann. Armutsbetroffene sind nicht per se für ihre Lebenssituation verantwortlich und sollten nicht als Störfaktor dargestellt werden. Leider hört man noch immer Aussagen wie „Suchtverhalten stadtverträglicher machen“, als ob es darum ginge, die normale Bevölkerung vor diesen Menschen zu schützen. Diese Umkehr der Opferrolle ist nicht nur perfide, sondern gesellschaftlich gefährlich.
Wir dürfen nie vergessen, dass Anstandsregeln keine Gesetze sind und nicht vom Staat durchgesetzt werden sollen. Repressive Massnahmen im öffentlichen Raum lehnen wir entschieden ab, solange die Stadt selbst ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat. In diesem Sinne begrüssen wir die Bestrebungen, mit dem Betriebskonzept einen Raum für Szenegänger:innen zu schaffen.
Vielen Dank.