Votum zum Auftrag Luisa Segessenmann und Florian Eberhard (SP/JSP) betr. Sexuelle Gesundheit erhöhen

Vorstoss ist hier zu finden: https://www.olten.ch/_doc/4320548

“Liebe Kolleg:innen, geschätzter Stadtrat, geschätzte Zuhörer:innen

Gerne nehme ich im Namen von mir und Luisa Stellung zum Auftrag.

Wir danken dem Stadtrat für die seriöse Beantwortung und das Ernstnehmen der Thematik. Wir hoffen auf eine ernsthafte Diskussion heute Abend, unabhängig von eurem Standpunkt, so dass wir zumindest etwas zur Entstigmatisierung von sexueller Gesundheit beitragen können. 

Inhaltlich sind wir mit der Beantwortung nicht einverstanden und müssen noch einige Punkte dann im Verlauf des Votums richtigstellen, die so wie sie jetzt da stehen nicht stimmen. 

Wie im Vorstoss schon angedeutet, sind sexuell übertragbare Krankheiten auf dem Vormarsch. Weltweit, schweizweit, aber auch bei uns in der Region. Wir haben die allerneueste Zahlen gestern noch von der Kantonsärztin erhalten, auch bei uns in der Region ist das der Fall, im Vergleich zum Vorjahr sind in diesem ersten Quartal 2023 die Fälle deutlich angestiegen. 

Die Angebote in der Region Olten und Umgebung sind nur schwer auffindbar. Es gibt Test-Möglichkeiten, aber niederschwellig sind diese Angebote nicht – und motivierend für Leute, die sich proaktiv (präventiv?) testen möchten, um andere nicht anzustecken, schon gar nicht.

Dabei wäre es so wichtig, dass sich Menschen regelmässig auf die “Big Five”, also HIV, Syphilis, Chlamydien, Tripper und Hepatitis testen lassen: eine Infektion verläuft i.d.R. symptomlos, dadurch kommt es zu einer unbewussten Verbreitung. Infektionen können aber schwere gesundheitliche Konsequenzen haben. 

Am meisten Infektionen gibt es bei jungen Menschen. Die Tests sind aber teuer, gemäss sexuelle Gesundheit Zürich durchschnittlich 160.-. Darum sind wir überzeugt davon, dass es Gratistests für junge Menschen und Menschen mit KulturLegi braucht. Und da müssen wir dir klar widersprechen Raphi: die Testkosten werden von der Krankenkasse nicht übernommen – ausser bei klaren Krankheitssymptomen, was aber zB bei Chlamydien fast nie der Fall ist.

(Der Fokus auf jüngere Generationen ist nicht zuletzt auch eine Investition in die Zukunft; denn für wen das regelmässige Testen zur Selbstverständlichkeit geworden ist, wird dies später mit höherer Wahrscheinlichkeit auch fortführen.)

Ich versuche ja teilweise via Instagram die Politik hier im Saal etwas einfacher zugänglich zu machen. Auch diesen Vorstoss habe ich erklärt und sowohl Luisa als auch ich haben den Leuten insbesondere die Möglichkeit gegeben, eigene Erfahrungen im Zusammenhang mit Tests zu teilen. Dabei haben zahlreiche Leute von Stigmatisierung durch ihre Gynäkolog*innen berichtet, davon, dass ihre Hausärzt*innen sie nicht zum Testen anmelden wollten, weil sie ja weder in einem Bordell arbeiten noch an Swingerparties teilnehme. Das ist genau Teil des Problems und darum umso wichtiger, dass solche Tests und Beratungen von Fachstellen und Expert*innen durchgeführt werden.

Und genau diese Fachstellen existieren bei uns im Kanton nicht. Keine. einzige. im ganzen Kanton. 

Grundsätzlich ist uns klar, dass Bildung & Gesundheit Kantonskompetenz ist. Das heisst aber nicht, dass wir nicht als Stadt Verantwortung für sexuelle Gesundheit junger Menschen & Menschen mit tiefem Einkommen wahrnehmen können und müssen. Wir haben in Olten auch ein grösseres Interesse an einer proaktiven Kampagne als andere Regionen im Kanton. Der Stadtrat schreibt in seiner Antwort zwar davon, dass die Zahlen im Kanton Solothurn unter dem nationalen Schnitt sind und deswegen kein Handlungsbedarf besteht. Um diese Zahlen etwas einzuordnen, haben wir uns ebenfalls noch länger mit dem Kanton ausgetauscht. Ich möchte deshalb auf 2 Punkte eingehen: 

  1. Die Verteilung innerhalb des Kantons: Olten ist der Spitzenreiter, was ziemlich alle möglichen STIs betrifft. Wenn jemand Interesse daran hat, dass es im Kanton professionelle Strukturen gibt, dann sind wir das! Da können wir nicht darauf warten, dass Holderbank oder Kleinlützel das Thema anreissen
  2. Die erwähnte Inzidenz, in der Antwort des SR: ich habe zuerst vermutet, dass es eine Positivitätsratio ist, also wie viele der Tests positiv ausfallen. Aber eigentlich sagen diese Zahen aus, wie viele Ansteckungen pro 100’000 Einwohner*innen es gibt. Der SR argumentiert unter anderem damit, dass die Inzidenzen von Gonnorhoe und Chlamydien im Kanton tiefer sind als an einem Ort, wo es Gratiststests gibt – surprise, surprise! Logischerweise haben wir eine tiefere Quote in Olten als in Zürich, wenn nicht getestet wird. Wo nicht getestet wird, werden auch keine Fälle entdeckt! Genau das sollten wir doch alle spätestens seit Corona wissen. Da beisst sich die Katze in den Schwanz!  Es gibt dazu sehr viel Forschung. Dänemark zum Beispiel hat die höchste Chlamydien-Quote weltweit. Das liegt nicht daran, dass die Menschen dort besonders promiskuitiv sind oder mehr ungeschützten Sex haben, sondern daran, dass dort durch die routinenmässigen, kostenlosen Tests die Dunkelziffer wesentlich niedriger ist. Auch der Kanton hat uns den klaren positiven Zusammenhang zwischen Testhäufigkeit und gefundenen Fällen bestätigt. Solange wir also nicht testen, können wir das Problem gekonnt ignorieren. 

Wir erachten das als verantwortungslos, die Verantwortung einfach abzuschieben!

Ich habe jetzt vor allem von den Gratistests gesprochen. Unser Vorstoss hat noch einen zweiten, mindestens so wichtigen Teil: das Thema der Prävention und Bildung. Die 8h Aufklärungsunterricht sind viel zu wenig! Es braucht eine Bildungsoffensive im Bereich der sexuellen Gesundheit mit dem Ziel der Entstigmatisierung von STIs und dem Etablieren von regelmässigem Testen. Im Anfangsstadium könnte das bspw. so aussehen, dass es eine Webseite gibt, über die man die korrekten Anlaufstellen findet und einen Termin bei der Teststelle buchen kann. An Schulen können beispielsweise Aufklärungstage spezifisch zum Thema STI (Testing) durchgeführt werden. 

Die Kosten werden in der Vorstossbeantwortung auch etwas überdramatisiert: Unserer Meinung nach müssen nicht neue Strukturen aufgebaut werden, sondern an bestehenden Orten wie das Spital oder allenfalls in einer Gruppenpraxis. ein Gratis-Angebot aufgebaut werden und insbesondere die Verfügbarkeit von Informationen erhöht werden. Das finde ich noch wichtig zu betonen.

Zusammengefasst: wir sind nach wie vor überzeugt von der Notwendigkeit davon. Olten hat ein deutlich grösseres Interesse als andere Gemeinden im Kanton, deswegen macht es auch Sinn, wenn wir da vorangehen. 

Vielen Dank!”