Antrittsrede als Parlamentspräsident

Lieber Stadtrat, liebe Kolleginnen und Kollegen, geschätzte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt, Herzlichen Dank für das riesige Vertrauen, das mir zuerst meine Fraktion aussprach und jetzt auch ihr, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich freue mich ausserordentlich, als neuer Parlamentspräsident dieses Amtsjahr und gleichzeitig auch diese neue Legislatur zu starten. 

Ich bin die letzten Wochen mit dem Zug in Europa unterwegs gewesen, unter anderem in Kopenhagen. An einem Abend habe ich mich in einer Bar mit Däninnen und Dänen unterhalten. Irgendwann kam die Sprache darauf, was ich denn sonst so mache neben dem Reisen. Meine Berufswahl im politischen Bereich und insbesondere mein Engagement in der lokalen Politik war für die meisten nicht so wirklich greifbar. Ich weiss nicht, wer von euch die Serie “Borgen” gesehen hat, das ist eine dänische Politserie, die ich allen sehr empfehlen kann. Hervorragendes Gesprächsthema, allerdings wird darin der Politbetrieb vor allem dargestellt als eine spektakuläre Abfolge von schrägen Hinterzimmerdeals, aussenpolitischen Manövern und dem steten Streben nach Macht. 

Schnell mal geisterte die Vorstellung herum, unser Engagement hier gestalte sich ähnlich wie in dieser Serie. Ich widersprach vehement und erklärte, dass es dabei vielmehr um greifbare Sachpolitik gehe, von der die Bevölkerung profitiert und handfeste Verbesserungen entstehen. Natürlich wollten sie wissen, was wir im Parlament denn so verändert haben. Ich dachte kurz nach und musste ernüchtert feststellen, dass ich gar nicht gross angeben kann. Ich realisierte auf einmal, dass wir die letzten 4 Jahre richtig viel diskutiert haben, viele Vorstösse eingereicht und überwiesen wurden – aber wirklich viel vorwärts gegenüber 2017, als ich ins Parlament gewählt wurde, ist Olten noch nicht gekommen. Leider.

Ich hoffe wir können diese Legislatur als Startschuss zum gemeinsamen, konstruktiven Handeln nutzen. Einen Startschuss, auf den wir nach 4 Jahren zurückblicken können und merken: all die Stunden an Sitzungen, beim Ausarbeiten der Vorstösse, Kompromisse aushandeln und allem was dazugehört, haben sich gelohnt; Olten ist in die Zukunft geschritten. Unser Olten 2025 ist toller, lebendiger, nachhaltiger,als Olten 2021.

Ich glaube mit dem neuen Stadtrat, den neuen Gesichtern in beiden Gremien, haben wir wirklich eine Chance auf einen kräftigen, frischen Wind der Veränderung und dass uns eins mehr Würfe gelingen als in der letzten Legislatur, dereinst vielleicht sogar einen Wurf in einen öffentlichen Basketballkorb. 

Die stimmberechtigte Bevölkerung hat vor 4 Jahren schon angedeutet, dass sie sich Veränderung wünscht und mit den Wahlen in diesem Jahr hat sie dieses Anliegen erneut bestärkt. Ich wünsche mir von uns allen Mut zur Umsetzung. Den Mut, sich differenziert mit einem Thema auseinanderzusetzen, sich dann klar für oder eben auch mal klar gegen ein Projekt zu stellen und diese Linie dann durchzuziehen. Zuweilen auch die Demut eine Veränderung zu akzeptieren, auch wenn sie der eigenen Position widerstrebt.

Wir haben in irgendwelchen Schubladen im Stadthaus viele tolle, umsetzungsreife Ideen, die mal so halb überwiesen wurden, man mal begonnen hat etwas zu planen oder abzuklären, Gestaltungswettbewerbe abgehalten hat, Expertisen eingeholt, aber nie umgesetzt. Wo bleibt der umgestaltete Bifangplatz, seit 1999 überwiesen? Wo bleibt die Verkehrsscheide? Wo bleibt das Oltner Velowegnetz?

Ein klares JA, das wollen wir, JA, das machen wir, das fehlt zu oft bis heute. Gleichzeitig ist aber auch häufig kein klares NEIN zu einer Idee formuliert worden. Ich wünsche mir also für diese Legislatur, dass wir die Schubladen entrümpeln und uns von alten nicht umgesetzten Ideen trennen und den Mut fassen, das zu bewegen was wir wollen, aber auch den Mut fassen, gerade auch gegenüber dem vom Stadtrat, klar zu formulieren, wenn wir etwas nicht wollen. Ich hoffe dass wir uns in dieser Legislatur von einer Vorschlagskultur lossagen und eine Umsetzungskultur etablieren, so dass wir spüren, dass Olten lebt, dass Olten sich verändert. Mit der Umsetzungskultur muss aber auch die Kultur etabliert werden, dass wir  Fehler machen dürfen, zu diesen stehen dürfen, Verantwortung übernommen wir und diese  dann auch verziehen werden. 

In den letzten Jahren hatten wir als Parlament bei Geschäften und besonders bei Reglementen des Stadtrates häufig eine Nulltoleranz gefahren, gleichzeitig hat sich der Stadtrat auch sehr schwer getan, Fehler einzugestehen. Beide Haltungen verhindern eine gesunde, positive und vor allem zielführende Zusammenarbeit. Ich hoffe, das können wir jetzt ändern und eine neue Kultur schaffen, die Veränderungen schätzt und nicht scheut. Fehler sind menschlich und wo gehobelt wird, fallen Späne. Es sollte auf jeden Fall keine Option für uns sein, das Hobeln zu unterlassen, weil wir Angst vor Spänen haben. 

Ich freue mich auf diese Arbeit mit euch allen, bis die Späne falle. Wenn ich hier in die Runde schaue und so viele motivierte, neue und bisherige Gesichter sehe, junge und ältere, bin ich zuversichtlich, dass sich die Kultur in diesem Parlament verändern wird und auch schon verändert hat. Viele junge und weibliche Gesichter, die jetzt im Parlament sind, wären vermutlich vor 10 Jahren noch nicht möglich gewesen. Auch Männer mit diesen Langhaarfrisuren wären wohl nicht denkbar gewesen. Und jetzt ist einer dieser jungen langhaarigen Typen sogar noch Parlamentspräsident. Vieles hat sich verändert, was ich mit meinen Vorgänger:innen aber gemeinsam habe: Ich fühle mich dieser Stadt aus tiefstem Herzen verpflichtet. 

Gerne werde ich dieses Amt aber auch nutzen, um den Scheinwerfer auf in der Vergangenheit etwas weniger beachtete Kreise zu werfen. Unseren Mitmenschen, die als Nachteulen unterwegs sind, diejenigen die ausserparlamentarisch unterwegs sind oder die gar kein Mitbestimmungsrecht haben, mit ihrem Einsatz aber alle trotzdem viel zur Verteidigung unserer Werte beitragen und die Stadt sehr fest bereichern. Das liegt mir besonders am Herzen.

Wie schon vorher gesagt, braucht es uns alle. Ich hoffe deshalb, dass wir die Bevölkerung mehr mitnehmen in dieser Legislatur, dass wir mehr Transparenz schaffen, dass wir es schaffen, mit unseren Projekten und Ideen zu begeistern, das Verständnis für unsere Arbeit zu erhöhen und die Menschen versuchen miteinzubeziehen. Da ist der Stadtrat mit proaktiver Kommunikation gefragt, da ist aber auch jede und jeder von uns gefordert. Auch ich werde versuchen, gerade auch die Generation der noch Nicht so fleissigen-Zeitungs-Leser:innen mitzunehmen, in dem ich auf Social Media versuche die Leute über die Arbeit, die das Amt mit sich bringt, zu informieren. Aber auch Besuche auf dem Markt oder bei einem Bier in einer Bar, natürlich ausschliesslich mit dem Ziel des Austauschs mit der Bevölkerung, sonst würde ich so was nie machen. Nein, aber etwas ernsthafter: Pandemiebedingt hat sich das Parlament etwas entfernt von der Stadtbevölkerung, der Stadtrat etwas weit vom Parlament, ich hoffe sehr, dass wir diese Gräben wieder schliessen können in diesem Jahr, Olten wurde um Brücken gebaut, lasst uns neue Brücken bauen. So, genug von meiner Seite. Ich danke euch für das mir ausgesprochene Vertrauen, freue mich ungemein auf diese Aufgabe und werde mein Bestes geben. Da wir ja momentan noch in der olympischen bzw. mittlerweile paralympischen Zeit sind: Die Spiele sind eröffnet!